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Werden tausende Berufe überflüssig? Sollte ich mich mit einer Weiterbildung absichern, um auch in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu sein?
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Welche Auswirkungen hat künstliche Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt?
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Wir haben bei Jana Jutzi, Geschäftsführerin der Personalberatung Careerplus, nachgefragt.
Frau Jutzi, KI ist derzeit in aller Munde. Im Bereich der Personalberatung und -vermittlung spielt KI sicher eine besonders bedeutende Rolle.
KI ist bei uns natürlich ein grosses Thema. In den letzten drei Wochen war ich allein an zwei ganztägigen Meetings sehr intensiv damit beschäftigt. Dabei fällt auf: Jeder versteht unter KI etwas anderes. Eigentlich müsste man deshalb zuerst einmal klären, wo Digitalisierung und Technologisierung aufhören und wo KI beginnt.
Wie haben Personalverantwortliche und Recruiter/innen auf den Durchbruch von KI reagiert?
Wir haben intern beobachtet, dass vor allem die jüngeren Mitarbeitenden reagiert haben. Die Tatsache, dass der Nachwuchs ein neues Thema ans Management heranträgt, ist für die meisten Unternehmen untypisch. Normalerweise sind es eher erfahrene Leute, die neue Themen aufgreifen, diese aufbereiten und dann in der klassischen Hierarchie nach unten weitergeben. Bei KI läuft es umgekehrt. Um als Unternehmen wirklich davon zu profitieren, sollte man deshalb Hierarchie und Erfahrung hinter sich lassen. So kann man das Thema als grosse Chance nutzen.
Gab es Reaktionen von Unternehmen und Stellensuchenden?
Ehrlich gesagt ist auf Kunden- und Kandidatenseite nicht viel passiert. Das Thema wird noch nicht in erster Linie mit der Jobsuche in Verbindung gebracht. Wo KI jedoch bereits Einfluss zeigt, ist das Bewerbungsschreiben. Diese werden mitunter von ChatGPT und Co. geschrieben. Das merken wir schon. In einem nächsten Schritt muss man deshalb darüber reden, wie wichtig ein Bewerbungsschreiben heute unter diesen Umständen überhaupt noch ist. Einige Personalverantwortliche setzen bereits jetzt auf kurze Vorstellungsvideos.
Es wird befürchtet, dass KI eine Vielzahl an Arbeitsplätzen überflüssig machen könnte. Wie schätzen Sie diese Wahrscheinlichkeit ein?
Ich glaube nicht, dass eine Vielzahl an Jobs überflüssig wird. Es ist zwar klar, dass mit der Digitalisierung und Technologisierung viele Prozesse laufend effizienter gestaltet werden können, was zur Folge hat, dass weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Gerade im eher repetitiven Administrationsbereich und in der Industrie gibt es solche Effizienzsteigerungen. In anderen Bereichen wiederum ist dies überhaupt nicht der Fall. Wenn Mitarbeitende KI geschickt einsetzen, kann das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie die Effizienz steigern und zusätzliche Wertschöpfung generieren. Der Output wird grösser. Auf der anderen Seite gibt es einen Megatrend, und zwar weg von reinem Profitstreben und hin zu Purpose und Value, also zur Sinnhaftigkeit von Arbeit. In Unternehmen mit einer starken Kultur, die gut kommuniziert und gelebt wird, wird Personal benötigt, um diese Philosophie aufrechtzuerhalten.
Es gibt Berufstätige, die sich vor KI fürchten, und es gibt andere, die darin eine Chance sehen. Ist es eine Frage der persönlichen Einstellung, welche Sichtweise man hat?
Angst verkleinert den Horizont, das ist ein Grundsatz. Ich bin überzeugt, dass KI neue Möglichkeiten schafft und die Berufsprofile auf spannende Weise verändert. Viele Funktionen per se werden bestehen bleiben, aber sie werden ein anderes Skillset erfordern, weil man lernen muss, die neuen Technologien in der gewünschten und notwendigen Art anzuwenden. Egal, was für eine KI es ist, welches Tool genutzt wird – die Basis kommt immer von einem Menschen. Ich glaube, grundsätzlich werden viele Jobs mit spannenden Aspekten angereichert. Daher sollte man offen dafür sein und auch Lernbereitschaft zeigen.
Gibt es auch Stellensuchende, vielleicht eher ältere, die nicht unbedingt jetzt auch noch auf diesen Zug aufspringen müssen?
Der Punkt ist, dass wir nicht alle plötzlich Technologiefachleute werden können. Das ist aber auch nicht notwendig. Die Verantwortung, neue Technologien in einem Unternehmen zu etablieren, liegt nicht bei den Arbeitnehmenden, sondern beim Arbeitgeber. Natürlich ist es grossartig, wenn ein Mitarbeiter Interesse zeigt und sich mit dem Thema KI auseinandersetzen möchte, aber es liegt nicht an ihm, das Thema voranzutreiben. Arbeitnehmende werden zwangsläufig in bestimmten Aufgabenbereichen mit KI in Kontakt kommen und gewisse Prozesse anders handhaben müssen. Ich würde deshalb nicht behaupten, dass ältere Arbeitnehmende nun gefordert sind, sich in der Freizeit nonstop mit dem Thema KI auseinanderzusetzen. Aber die Bereitschaft, sich einzubringen und zu lernen, ist sicher notwendig und sinnvoll.
In einer Welt, die sich immer schneller dreht, sind Weiterbildungen in jedem Beruf heute unabdingbar. Einverstanden?
Nein, das sehe ich nicht so. Natürlich ist eine solide Ausbildung und gelegentliche Weiterbildung sinnvoll, aber es hängt hauptsächlich davon ab, welchen Karriereweg man einschlagen möchte, wie sich eine Stelle entwickelt. Wenn sich das Stellenprofil sehr verändert oder man sich im Job selbst weiterentwickelt, Neues lernen kann, dann ist eine Weiterbildung nicht zwingend notwendig. Aber klar, gar keine Weiterbildung in sagen wir mal 20 Jahren – da ergeben sich kritische Fragen, die Stellensuchende gut beantworten müssen. Und die Frage ist, ob man diese Chance überhaupt bekommt.
Inwiefern erachten Sie eine Weiterbildung als wichtig, um der KI Paroli bieten zu können?
Die Frage ist, von welcher Technologie man genau spricht. Ich würde mir nicht anmassen, die technologischen Komponenten hinter KI zu verstehen. Die Arbeitnehmergruppe, bei der eine Weiterbildung mit Schwerpunkt KI Sinn macht, ist klein. Abgesehen davon gibt es nur wenige entsprechenden Angebote. Aber in der Anwendung dieser Tools, da ist es durchaus wichtig, dass man versucht, am Ball zu bleiben und sich weiterzubilden. Ich sehe es als Verantwortung der Arbeitgeber, ihre Mitarbeitenden zu unterstützen und zu schulen. Und das möglichst konkret im Hinblick auf die Bedürfnisse des Unternehmens. Für Arbeitnehmende ist es häufig schwierig zu beurteilen, welche KI-Weiterbildung sie bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen kann.
Wenn wir jetzt sagen: «Doch, ich will da investieren und ich will auch eine sichere berufliche Zukunft haben.» Ist eher eine Weiterbildung im Bereich der künstlichen Intelligenz zu empfehlen oder ist es cleverer, gerade im Zuge des Durchbruchs von KI auf eine Weiterbildung in einem anderen Bereich, z. B. Social Skills, zu setzen? Sozusagen auf die menschliche statt die künstliche Intelligenz zu setzen?
Letztendlich kommt es auf den Job an. Es braucht eine Balance. Man wird langfristig in wenigen Jobs durchkommen, wenn man nur das eine oder nur das andere fördert. Wichtig ist aber auch zu betonen: Man sollte schauen, wo die Hauptstärken einer Person liegen, und diese fördern bzw. hier eine Weiterbildung anstreben. Es ist viel schwieriger, die Schwächen zu eliminieren als an den Stärken zu arbeiten. Wenn man eine soziale Persönlichkeit mit ausgesprochen guten kommunikativen Fähigkeiten ist, sollte man eher hier den Schwerpunkt legen und daneben zusehen, dass man im technologischen Bereich irgendwie mitkommt und sich das Wichtigste aneignet.
Eigentlich sollte man auf die Stärken setzen. Das würde bedeuten, dass man nicht unbedingt ein Manko beim Thema Technologie ausgleichen muss, sondern sich auf Kompetenzen konzentrieren sollte, die man bereits hat und die man weiter stärken kann.
Ja, das macht sicher Sinn.
Die Tendenz ist jedoch bei vielen eine andere. Sie versuchen zu kompensieren, damit sie überall einigermassen mithalten können.
Das ist so. Die Frage, die sich Arbeitnehmende stellen sollten, ist: Möchte ich bei allem, was ich mache, durchschnittlich sein oder möchte ich eine Fachperson für ein Thema sein, das mir liegt? Nehmen wir die Jahresendgespräche: Die meisten Unternehmen funktionieren noch so, dass man den Kreuzchenbogen durchgeht. A bis E. Was kannst du, was kannst du nicht. Dann gibt es eine Beurteilung und eine Mischrechnung, die darüber entscheidet, ob es eine Lohnerhöhung gibt oder nicht. Viel sinnvoller wäre, mit den Mitarbeitenden gemeinsam herauszufinden: Was kann die Person gut? Wie möchte sich die Person in dem Bereich weiterentwickeln, in dem sie stark ist? Und welche Dinge stehen ihr dabei im Weg?
Was erwarten Sie? Wie wird KI die Stellensuche in Zukunft noch verändern?
Ich erhoffe mir von KI, dass sich möglichst alle Arbeitnehmenden mehr auf ihre Stärken fokussieren und diese dann breiter einsetzen können. Ich habe in den letzten 18 Jahren viele Hypes in dieser Branche erlebt – KI ist sicher keiner. Allenfalls können gewisse Tools ein Hype sein: Diese kommen und gehen, aber das Thema KI wird bleiben und sich weiterentwickeln. Fakt ist, wir werden in Zukunft mit der künstlichen Intelligenz zusammenarbeiten, im Alltag viel intensiver, als wir es uns jetzt vorstellen können. Die Hoffnung ist, dass wir dadurch Zeit gewinnen, um sinnhafte Tätigkeiten zu erledigen, welche KI eben nicht bewerkstelligen kann, dass wir uns viel mehr auf die zwischenmenschlichen Kontakte fokussieren und so auch wieder mehr Energie aus unserer Arbeit zurückgewinnen können. Gerade wenn man beobachtet, wie hoch der Stressfaktor für viele geworden ist, hoffe ich, dass es in dieser Hinsicht zu einer Entlastung und zu einem gewinnbringenden Miteinander kommt – mit menschlichem Fokus und künstlicher Intelligenz.
Jana Jutzi ist Geschäftsführerin von Careerplus, einer Personalberatung für qualifizierte Fach- und Führungskräfte in den Berufsgruppen Finanzen, HR, Sales, Industrie, IT und Gesundheit. Das Schweizer Unternehmen wurde 1995 gegründet und verfügt heute über 14 Standorte und 150 Mitarbeitende.
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